Fashion & Art

Alexander Steinwendtner x Meindl

"Malen ist für mich ein Schöpfungsprozess"
- Alexander Steinwendtner

Was verbindet Mode mit Kunst? Ist Kunsthandwerk bereits Kunst - und darf Kunst überhaupt kommerziell sein?

Gemeinsam mit dem Salzburger Künstler Alexander Steinwendtner und Stephan Huber, Chefredakteur des Magazins "Style in Progress", spricht Markus Meindl über Authentizität und Hingabe, über Produkt, Qualität und Kommerz.

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Malen ist für mich ein Schöpfungsprozess

Was verbindet Mode mit Kunst?

Ist Kunsthandwerk bereits Kunst – und darf Kunst überhaupt kommerziell sein? Gemeinsam mit dem Salzburger Künstler Alexander Steinwendtner und Stephan Huber, Chefredakteur des Magazins style in progress, spricht Markus Meindl über Authentizität und Hingabe, über Produkt, Qualität und Kommerz. Text: Nicoletta Schaper

 

Stephan Huber: Alexander, sind Hirschhäute eigentlich ein schöner Untergrund für einen Maler

 

Alexander Steinwendtner: Es ist phantastisch, damit zu arbeiten! Es gibt da auch eine gewisse Kontinuität. Ich habe bereits im Jahr 2005 eine Serie mit dem Titel „Macht und Ohnmacht“ auf Rinderhäuten gemalt. Als Beitrag zum europäischen Forum Alpbach, das damals unter eben diesem Motto stand. Auf meine so gemachten Erfahrungen konnte ich jetzt beim Material von Markus zurückgreifen. Allerdings ist das Wildleder in seiner Textur völlig anders, es ist ein Unterschied wie von Blei und Gold. Das Wunderbare an den Meindl Häuten: Wie intensiv sie die Farben aufnehmen, die Haptik, es liegen wirklich Welten dazwischen.

 

Markus Meindl: Ja, das Material hat Charakter, auch Fehler, eben Merkmale von echtem Wildleder, die hast du beim Rind nicht.

 

Alexander Steinwendtner: Der nächste Schritt war dann, mit Kleidungsstücken aus der Meindl Kollektion zu arbeiten. Dass war vom Zugang alles andere als einfach. Bei einem fertigen Produkt, das in sich eigentlich perfekt ist, etwas hinzuzufügen, das ist wirklich eine Challenge. Auch in der Malerei ist es entscheidend zu wissen, wann du aufhörst. Ich musste letztlich ganz pragmatisch an die Aufgabe herangehen und jedes Teil einfach als Leinwand betrachten.

 

Markus Meindl: Ich finde es faszinierend, wie Alexander dem Teil noch mal eine ganz neue Richtung gibt, eine ganz neue Energie.

 

Alexander Steinwendtner:

Markus und ich haben einen ähnlichen Mindset. Du spürst das ja, entweder kannst du miteinander oder nicht. Das hat von Anfang an so funktioniert, weil ein gemeinsames Interesse da ist, eine Neugier auf tiefgründigere Dinge. Das erzeugt wiederum Synergien, die für beide eine Bereicherung sind.

 

Stephan Huber: Geht es darum, Grenzen auszuloten, zu sehen, was mit dem Material überhaupt möglich ist, was man ihm zumuten kann?

 

Markus Meindl: Unbedingt. Wir teilen die Begeisterung für die Individualität des Materials. Und wir haben Respekt vor der Arbeit des anderen.

 

Stephan Huber: Mode ist Kunst, hat der Londoner Streetart-Star Endless gerade postuliert. Würdest du dem zustimmen?

 

Markus Meindl: „Kunst ist eine Lüge, die uns der Wahrheit näherbringt“, hat wiederum Picasso gesagt. Genauso kann man sagen, dass Mode Kunst ist. Wobei Kunst für mich dann doch mehr ist als Mode. Denn diese ist vergänglich, Kunst hingegen beständig. Es gibt in der Mode jede Menge Trash, aber auch vieles, das mit Kunst oder Kunsthandwerk verbunden ist. Von eigener, nachhaltiger Qualität. Haute Couture Kreationen lassen nur erahnen, welche handwerkliche Kunst, dahintersteckt. Ist Mode also Kunst? Vielleicht auf den zweiten Blick oder im, Kontext von Zeit und Gesellschaft. Oder eben wenn ein Künstler sie bearbeitet. Vorher ist Mode doch eher Konsum.

 

Stephan Huber: Aber ist es nicht genau dein Anspruch, Bekleidung zu machen, die über den Dingen der Mode steht?

 

Markus Meindl: Es gibt Aspekte in meiner Arbeit, die ganz klar mit Kunsthandwerk zu tun haben, aber ich will mir nicht anmaßen zu behaupten, dass meine Mode Kunst ist.

„Ich glaube, dass die Kunst schneller und kurzlebiger geworden ist. Gute Mode dagegen ist langlebig und nicht mehr nur auf eine Saison bezogen.“

Alexander Steinwendtner

Stephan Huber: Kann die Kunst nicht insgesamt völlig andere Storys erzählen? Gerade nähert sich die Mode extrem an die Kunst an, weil sie mit Macht nach neuen Storys sucht, nach einem neuen Narrativ. Letzten Endes geht es beiden Bereichen darum, die beste Geschichte zu liefern. Es ist ein intensives Wiederbeleben einer alten Beziehung.

Alexander Steinwendtner: Ich glaube, dass die Kunst schneller und kurzlebiger geworden ist. Gute Mode dagegen ist langlebig und nicht mehr nur auf eine Saison bezogen.

 

Stephan Huber: Gibt es so etwas wie Fast Art, vergleichbar mit Fast Fashion?

 

Alexander Steinwendtner: Auf jeden Fall, man sieht diese Beschleunigung eindeutig im Kunstmarkt. Es gibt Werke, die passen perfekt zu einem ganz bestimmten Moment oder Anlass gut und haben danach sofort ihre Relevanz verloren. Vieles ist vom Marketing gesteuert, vieles ist Zeitgeist. Nur etwas, das eine gewisse Erdung hat, hat auch Bestand.

 

Stephan Huber: Das finde ich ganz spannend: Gibt es in der Kunst wie in der Mode so etwas wie objektivierbare Qualität?

 

Alexander Steinwendtner: Ja.

 

Markus Meindl: Das sehe ich auch so.

 

Stephan Huber: Also gibt es schon einen Grund, warum sich gewisse Dinge einfach durchsetzen und ihre langlebige Gültigkeit erlangen. 

 

Alexander Steinwendtner: Teilweise erleben Bilder, die ich vor Jahren gemacht habe, einen Reifeprozess, wie ein guter Wein.

Sie waren für mich gut, haben aber weiter kein großes Interesse erregt und ich habe sie weggelegt. Dann hole ich sie wieder hervor und auf einmal stimmt der Moment.

Stephan Huber: Würdest du dich in deiner Arbeit nach Moden richten, wäre das, was du vor drei Jahren gemacht hast, nichts mehr wert.

 

Markus Meindl: Es geht mir manchmal ähnlich. Ich stelle ein paar Teile fertig und hänge sie erst einmal weg, weil ich denke, dass sie nicht ganz in die Kollektion passen. Später merke ich, dass sie eine neue Kraft bekommen haben.

 

Alexander Steinwendtner: Ich kann mir vorstellen, dass es bei einer

Modekollektion brutal schwierig ist, etwas zum genau richtigen Zeitpunkt herauszubringen.

 

Stephan Huber: Ja, etwas, das in dem Moment eine große Verkäuflichkeit hat. Wie kommerziell darf Kunst sein? Anders gefragt: Ist kommerzielle Kunst per se schlecht?

 

Alexander Steinwendtner: Nein, auf keinen Fall!

 

Stephan Huber: Im deutschsprachigen Feuilleton ist alles Kommerzielle oft aus Prinzip erst mal verdächtig. Inbesondere wenn es um Mode geht. Ist das in der Rezeption der Kunst sehr ähnlich?

 

Alexander Steinwendtner: Sicher, aber es sind dennoch zwei Ansätze. Der eine ist ein philosophischer, der andere, wie soll ich es bezeichnen, ist ein menschlicher Zugang. Wenn etwas cool ist und es vielen Leuten zum gleichen Zeitpunkt taugt, funktioniert es auch kommerziell. Es muss deswegen nicht schlecht sein. Ganz im Gegenteil. In der Kunstgeschichte finden sich viele Beispiele, etwa die großen Werkstätten von Michelangelo oder Rembrandt. Sie waren wahnsinnig gut, schon zu Lebzeiten kommerziell erfolgreich und ihre Werke haben bis heute Bestand. Es leuchtet mir nicht ein, warum etwas kommerziell Erfolgreiches schlecht sein soll. Das ist für mich nicht logisch.

Stephan Huber: Ihr schafft beide auf eure Art ein Werk, das letztlich ja auch verkauft werden soll. Hat das einen Einfluss auf den Schaffensprozess?

 

Alexander Steinwendtner: Nicht wirklich. Es gibt sicher Leute, die ihre Arbeit nach dem Geschmack richten. Betrachtet man ihr Werk aber nach zehn oder 20 Jahren, merkt man, dass sie nur einen kurzen Atem hatten.

 

Markus Meindl: Wir müssen in der Mode allerdings immer bedenken, ob das Produkt seine Erwartungen erfüllt. Form follows Function! Ich kann keine Jacke oder Hose ohne echte Taschen machen. Das Teil kann noch so schön sein, ich brauche Taschen, in die ich etwas hineintun kann. Das Teil muss einen Zweck erfüllen.

 

Stephan Huber: Diesen Pragmatismus gibt es in der Kunst nicht.

 

Markus Meindl: Nein. Die Kunst muss keinen vordergründigen Zweck erfüllen, sondern sie muss auch mal Kontraste aufzeigen und Denkweisen aufbrechen. In dieser Hinsicht ist Kunst tatsächlich frei.

 

Stephan Huber: Wobei Kunst für viele eine Prestigefrage ist. Die hängen sich ein Bild an die Wand, weil es viel Geld gekostet hat und denken womöglich jeden Tag „Boah ist das schiach.“ Ist der Kunstmarkt nicht fast noch zynischer als der Modemarkt?

 

Alexander Steinwendtner: Ja, in dem Moment wo Kunst zum Anlageobjekt wird, ist der Markt tatsächlich ziemlich zynisch.

 

Markus Meindl: Wie die Mode kann, die Kunst auch über

das Element der Provokation funktionieren.

 

Stephan Huber: Wir erinnern uns an die fast schon rituelle Empörung über Hermann Nitsch, um ein populäres Beispiel zu nennen.

 

Alexander Steinwendtner: Der auch eine absolute Qualität hat, sonst wäre er nicht der, der er ist.

 

Stephan Huber: Als Laie vergisst man oft, das vieles in der Kunst mit einem sehr intensiven, physischen Schaffensprozess verbunden ist.

 

Alexander Steinwendtner: Es ist ein sich Einarbeiten, sich Abarbeiten, ein sich Vertiefen in die Materie. Malen ist für mich ein Schöpfungsprozess. Er ist mit Blut, Schweiß und Tränen verbunden, das gehört dazu. Bei Leder ist es eine eher sanfte, aber nicht minder intensive Auseinandersetzung.

 

Markus Meindl: Zurzeit erarbeiten wir ein gemeinsames Projekt: Wir machen für eine sehr bekannte Automobilmarke das Interieur für ein sehr exklusives Modell, für das

Alexander ein Logo entworfen hat. Er kam dann mit einem vier mal sechs Meter großen Bild von zwei kämpfenden Hirschen in die Präsentation. Alleine diese Wirkung – ein Ereignis!

 

Alexander Steinwendtner: Auch wenn das Logo außen am Auto angebracht klein sein wird: Je größer du das machst, desto genauer werden die Details. Da sind die Pinselstriche nicht nur zwei, sondern auch mal 45 Zentimeter breit und ich benutze auch mal den Kohlestift. Dann entsteht eine Synergie zwischen

feinstem Detail und brachialem Pinselstrich. Wegnehmen kannst du am Schluss immer.

Aber schwerlich etwas hinzufügen.

 

Stephan Huber: Die Diskussion, ob Kunst etwas mit Können zu tun hat, ist ebenso alt wie irreführend. Weil sie Kunst zum Handwerk umdeutet. Dennoch die Frage: Muss man als Künstler gewisse handwerkliche Prinzipien beherrschen? 

 

Alexander Steinwendtner: Auf jeden Fall. Erst wenn du das eine beherrschst, kannst du auch das andere.

 

Markus Meindl: Genauso ist es in der Mode. Erst wenn du nach allen Regeln der Schneiderkunst ein gut passendes Kleidungsstück machen kannst, bist du in der Lage, zu dekonstruieren.

 

Alexander Steinwendtner: Es muss auch nicht zwingend der Künstler selbst seine Arbeit handwerklich im Detail perfekt umsetzen können. 

 

Stephan Huber: Und auch nicht der Designer. Virgil Abloh hat als Artistic Director von Louis Vuitton mit vielen Prinzipien dieses Genres gebrochen.

 

Markus Meindl: Stimmt. Und das war in vieler Hinsicht auch wichtig. Gleichzeitig hat er um sich die Menschen, die seine Ideen und Visionen handwerklich perfekt umsetzen. Das sind echte Profis mit viel Gefühl für Passform, Proportionen und einem großen Knowhow in der Verarbeitung. Erst dann wird es perfekt und kostet am Ende wirklich viel Geld. Weil auch große handwerkliche Kunst dahintersteckt.

Alexander Steinwendtner: In der Kunst wie in der Mode hat eben nur Bestand, was akribisch erarbeitet worden ist, wenn ein Radl präzise ins andere greift. Nur dann kann das Produkt am Ende aussehen wie ein lockerer, frischer Wurf.

 

Stephan Huber: Jeff Koons ist ein sehr populäres und auch unverschämt erfolgreiches Beispiel für dieses Prinzip.

 

Alexander Steinwendtner: Der mag zwar nicht der allerbeste Aluminiumgießer sein, aber die allerbesten arbeiten dann eben für ihn. Sehr oft steckt keine manische Einzelperson, sondern ein ganzes Team dahinter. Ich bin auch keine One Man Show. Sondern ich brauche den richtigen Fotografen, den richtigen Mann am Computer, den richtigen Holzlieferanten. Ich kann nicht einfach irgendein Brett nehmen.

 

Markus Meindl: Und derjenige muss genau verstehen, was du willst. Einen Schritt weitergedacht brauchst du in der Mode dann den richtigen Händler, der seine Kunden kennt und weiß, für wen was gut passen könnte. Der sagt: Schau her, ich habe genau das Richtige für dich.

 

Stephan Huber: Womit  wir  wieder  bei der Diskussion über Kommerzialität wären. Auf verschiedenen Ebenen geht es darum, dass das Produkt am Ende jemanden glücklich macht. Wobei jeder Mensch zu einem Kunstwerk einen ganz eigenen und völlig legitimen Zugang hat. Das ist für mich einer der spannendsten Aspekte dabei: unabhängig von der originären Geschichte hat jeder seine eigene Story dazu.

 

Markus Meindl: Auf die Mode übertragen kann jeder die Teile tragen, wie er will.

 

Alexander Steinwendtner: Und wenn irgendein Styler sagt, die Jackenärmel soll man nicht hochkrempeln – ich krempel sie gern.

 

Markus Meindl: Das ist die gestalterische Freiheit, die man hat. If you like the look, go for it.

„Erst wenn du nach allen Regeln der Schneiderkunst ein gut passendes Kleidungsstück machen kannst, bist du in der Lage, zu dekonstruieren.“

Markus Meindl